NEW FRONTIERS IN MEMORY STUDIES LECTURE SERIES

9 July, 12-2 pm
IG 1.414

Karl Mannheim gilt zu Recht als einer der wichtigsten Begründer der Weimarer Wissenssoziologie. Sein neues soziologisches Programm stellte er in seiner Zeit in Frankfurt zwischen 1930 und 1933 vor. Sein Leben und seine Karriere waren auch Teil der Krise der europäischen Moderne vor dem Aufstieg des Nationalsozialismus. Mannheim war ein ungarischer Jude, der sowohl aus Ungarn als auch aus Deutschland emigrieren musste.

Dieser Vortrag möchte der Frage nachgehen, ob es eine jüdisch kosmopolitische Perspektive für Europa gibt. Und wenn ja, ist diese Perspektive religiös, ethnisch oder politisch? Gibt es so etwas wie ein jüdisches Europa oder ein Europa der Juden? Kann man überhaupt von jüdischen Stimmen oder einer jüdischen Epistemologie sprechen, ohne das Denken auf Herkunft und Geburt zu beschränken?

Das sind beileibe keine Randfragen, sondern Schlüsselfragen, die das Tor zu den Rätseln und Unbegreifbarkeiten im Gedächtnisraum Europa aufschließen: Gibt es eine jüdische Nation ohne Territorium, die verstreut und über Grenzen hinweg in Europa lebt(e)? Waren die europäischen Juden gleichzeitig assimiliert, orthodox, jüdisch und nicht-jüdisch? Und ist es gerade dieses Nicht-Dazugehören, das auf die ontologische Bosheit des antisemitischen Bewusstseins und die Entschiedenheit des antisemitischen Staates traf? Ich werde diesem Problem näher nachgehen, indem ich mir einige Aspekte der Schriften des Soziologen Karl Mannheim und seines Kreises jüdischer Studenten und Studentinnen in Frankfurt ansehen werde. Dort hatte er einen Lehrstuhl für Soziologie inne, bevor er von den Nazis vertrieben wurde. Mannheim wurde vorgeworfen, die typisch jüdische Heimatlosigkeit des entfremdeten Geistes zu formulieren, ja sogar Soziologie als jüdische Wissenschaft zu verunglimpfen.

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